Was durfte ich mir alles anhören beim Thema Sport und Schwangerschaft: »Du gehst noch laufen??? Ach, Du bist doch verrückt!«, »Eigentlich solltest Du Dich schonen, das weißt Du, oder?«, »Hanteltraining – in Deinem Zustand?«

Ich erntete Kopfschütteln, gänzliches Unverständnis und Kritik von allen Seiten. Und das nur, weil ich auch in der Schwangerschaft bis zum 8. Monat noch meinem Hobby frönte. Aber wenn man sein ganzes Leben lang Sport getrieben hat – wieso sollte man dann plötzlich aufhören, wenn es einem gut damit geht? Und wenn sogar der Arzt sein Okay gibt?

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Ultras, Marathon, Triathlon, Functional-Training, Yoga, CrossFit – die Fitness-Trends werden von Jahr zu Jahr verrückter und härter. Es gibt immer mehr Leute, die in diesen Disziplinen ihre körperlichen Grenzen austesten. Auch Frauen natürlich. Längst geben wir uns nicht mehr nur mit dem typischen Bauch-Beine-Po-Kurs zufrieden – viele haben dafür höchstens noch ein müdes Lächeln übrig. Aber was passiert im Falle einer Schwangerschaft? Wie viel und in welcher Form darf man trainieren, ohne sich gleich einen Shitstorm einzuhandeln? Einen Shitstorm wie ihn Personal Trainer Sara Haley und Sophie Guidolin erlebt haben oder die berühmte CrossFit-Mom Lea-Ann Ellison. Stimmt es wirklich, dass Schwangere nichts Schweres heben, dafür lieber viel liegen und ’ne ruhige Kugel schieben sollen?

Als Schwangere bekommt man von allen Seiten gute Ratschläge, was denn nun zu tun sei. Bewegen oder ruhen? Gibt’s ein Patentrezept für aktive neun Monate? Nein, scheinbar nicht, denn oft steht Aussage gegen Aussage – und als Schwangere ist man hin und hergerissen zwischen dem neuen Verantwortungsbewusstsein, dem eigenen inneren Gefühl, dem schlechten Gewissen und dem Drang, hier und da doch ein paar der gut gemeinten Tipps anderer zu befolgen. Und weil das gar nicht geht, weil man all diese – sich oft widersprechenden Tipps – gar nicht befolgen kann, gibt es eigentlich nur zwei wichtige Empfehlungen:

1. Auf den Arzt hören
2. Auf das eigene Körpergefühl hören (s. die Goldene Regel)

Wer in der Schwangerschaft Sport treiben will, braucht das Okay des Arztes

Jede Schwangerschaft verläuft anders. Und der Arzt ist derjenige, der alle Risiken im Auge behält. Wenn die ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft unauffällig verlaufen sind, raten die meisten Ärzte heutzutage dazu, sich regelmäßig zu bewegen. Das kommt in der Regel nicht nur dem Wohlbefinden der werdenden Mutter zugute, sondern auch dem Kind. Laut neuesten Erkenntnissen, trägt Sport dazu bei, schwangerschaftsbedingte Begleiterscheinungen vorzubeugen oder einzuschränken. Typisch sind:

• zu hoher Blutdruck
• Schwangerschaftsdiabetes
• Übelkeit
Rückenschmerzen
• Gewichtszunahme
• Stimmungsschwankungen

Inzwischen gibt es viele Studien [1], die besagen, dass ein Training entsprechend des Fitnessgrades der Mutter möglich und wünschenswert ist.
In einer Dissertation von Barbara Vogel an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München aus dem Jahr 2014 heißt es »Untersuchungen weisen darauf hin, dass Inaktivität in der Schwangerschaft ebenso mit depressiven Verstimmungen assoziiert ist wie bei Nichtschwangeren und das Wohlbefinden der Schwangeren durch Sport und körperliche Aktivität gefördert wird. Darüber hinaus geben in der Schwangerschaft sportlich aktive Frauen einen subjektiv eingeschätzt besseren Gesundheitszustand an.« [2]

Sport in der Schwangerschaft

Zu beachten gilt:
Wer vor seiner Schwangerschaft regelmäßig Sport getrieben hat, darf damit natürlich weitermachen (sollte sein Training allerdings dem wachsenden Babybauch anpassen). Allerdings sollte man nie erst in der Schwangerschaft mit ungewohnten Sporteinheiten starten.

Damit ist klar, dass frühere Empfehlungen zur sportlichen Zurückhaltung längst überholt sind.

Ein wunderbarer Ratschlag meines eigenen Arztes war übrigens:
»Sie dürfen alles machen, solange es Ihnen gutgeht!« – daran hab ich mich auch immer gehalten und bin gut damit gefahren.

Die Goldene Regel

Bei all den vielen und sicher gut gemeinten Ratschlägen, Tipps und Tricks aus Ratgebern und Zeitschriften, lässt man sich doch ziemlich leicht verunsichern. Kein Wunder, schließlich sind wir selbst erst mal keine Profis auf dem Gebiet. Wer aber trotz Schwangerschaft gerne seiner sportlichen Leidenschaft nachgehen möchte, darf sich unbedingt auf die eine Goldene Regel verlassen – so abgedroschen sie auch klingen mag:

Hör auf Dein Körpergefühl – und auf Deinen Arzt!

In Zeiten der Wearables und der grenzenlosen Selbstvermessung verlassen wir uns mehr und mehr auf Apps, Gadgets und Messgeräte – und dabei immer weniger auf das, was in uns und mit uns selbst passiert. Das Gespür für den eigenen Körper und für die eigene Leistungsgrenze ist gerade im Sport besonders wichtig. Dieses Gespür überlassen wir heutzutage oft der Technik. Schade eigentlich.

Eine Schwangerschaft ist eigentlich die perfekte Gelegenheit, den eigenen Körper wieder neu zu kennen zu lernen. Sie ist wie eine Reise an deren Ende das zurückgewonnene Vertrauen in die eigene Intuition steht. Denn die brauchen wir – vor, während und ganz besonders nach der Schwangerschaft. Hört man bewusst in sich hinein, so ist es manchmal wirklich erstaunlich, wie viel uns unser Körper so sagt – wenn wir ihm nur zuhören.

Wichtig ist natürlich, dass Euer begleitender Arzt, sein Go für Eure sportlichen Ambitionen gibt. Eine hilfreiche Kontrolle ist ein Herzfrequenzmesser (gut, ein technisches Gadget darf sein, um unser Gewissen zu beruhigen oder einfach nur zur Kontrolle, damit wir wissen, dass wir richtig liegen) – mit dem hat man die Belastung immer im Blick – gerade zu Beginn der Schwangerschaft, wenn man seine neue Leistungsgrenze noch nicht so richtig einschätzen kann. Bei allen Übungen die Ihr durchführt, solltet Ihr zudem auf eine regelmäßige Atmung achten. Und ganz wichtig: Jede Schwangerschaft verläuft irgendwie anders. Was sich für die eine Schwangere angenehm anfühlt, kann für die andere gänzlich unangenehm sein – achtet darum immer schön auf die Goldene Regel. Ihr werdet auch merken, dass sich Eure Leistungsfähigkeit im Verlauf der neun Monate verändert und Ihr durchaus mal Phasen haben könnt, in denen Ihr Euch sehr viel weniger fit fühlt. Am besten, Ihr entscheidet jeden Tag neu und intuitiv, was geht und was nicht. Sobald Ihr merkt, irgendetwas tut nicht gut, lieber einen Gang runterschalten oder das Training auf den nächsten Tag verschieben.

Sport und Schwangerschaft: das dürfen gesunde Schwangere

Yoga

  • Sanfte, dehnende Bewegungen sind optimal
  • Regelmäßige Atmung wird geschult

Schwimmen

  • Wasser trägt den Babybauch und gibt ein angenehmes Gefühl von Schwerelosigkeit
  • Gelenke werden entlastet
  • Rückenmuskulatur wird aktiviert & gekräftigt

Walken

  • Sanfte Bewegungen
  • Gute Selbstkontrolle
  • Frische Luft

Krafttraining mit dem Thera-Band

  • Für alle, die gerne mit Freihanteln trainieren/trainiert haben. Der Widerstand ist natürlich geringer, gibt aber dennoch ein gutes Krafttrainingsgefühl

Gerätetraining im Studio

  • Wer es gewohnt ist, im Studio an Geräten zu trainieren, kann dies weiter tun. Meist wird empfohlen, dies ab dem dritten Trimester einzustellen – auch hier: hört in Euch hinein, Euer Körper wird Euch sagen, was geht und was nicht
  • Gewichte verringern und Eurer Tagesform anpassen
  • bei manchen Geräten fühlt man sich durch den wachsenden Bauch etwas eingeengt, die lasst Ihr am besten weg

Bodyweight-Übungen

  • alle Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, die die Bauchmuskeln nicht zu sehr beanspruchen, sind zu empfehlen, die könnt Ihr auch wunderbar zu Hause vor dem Fernseher absolvieren (z.B. Beckenheben oder 4-Füßler-Stand)

Crosstrainer/Fahrradergometer

  • optimale Ausdauergeräte

Schwangerschaftsgymnastik

  • geht natürlich immer
  • fortgeschrittene schwangere Sportlerinnen könnten sich in den Kursen durchaus etwas langweilen …

Rückentraining

  • unbedingt einbauen! In der Schwangerschaft verändert sich die Körperstatik: Wenn der Bauch wächst, fallen oft die Schultern nach vorn, der obere Rücken wird rund und der untere Rücken neigt dazu, ins Hohlkreuz zu fallen. Mit gezieltem Rückentraining, kann man dem aktiv entgegenwirken

Beckenbodentraining

  • auch das ist sehr zu empfehlen. Das Beckenbodentraining zählt ja auch zum Training der Rückbildung und ist damit schon ziemlich etabliert

Balance- und Koordinationsübungen

  • Der ganze Körperschwerpunkt verlagert sich in der Schwangerschaft – das ist dann etwas ungewohnt und wir verlieren schneller die Balance. Balance- und Koordinationsübungen (z.B. Einbeinstand auf einem Kissen) können dabei helfen, sich schneller auf die Veränderung einzustellen und das Körpergefühl zu verbessern.

Foamroller

  • Foam Rolling durchblutet das Bindegewebe und Muskeln, hält Faszien geschmeidig und entspannt verspannte Muskeln.

Das dürfen fortgeschrittene Sportlerinnen in der Schwangerschaft

Laufen

  • Inzwischen gibt es viele passionierte Läuferinnen. Wer langjährige Erfahrung und eine ausgefeilte Lauftechnik hat, der darf auch gerne laufen. Der Gedanke komplett auf mein geliebtes Hobby zu verzichten, hat mich selbst in der Schwangerschaft sehr umgetrieben – und dann war es so, dass ich tatsächlich bis zur Mitte des 8. Monats noch laufen konnte – zwar immer langsamer, aber immer noch mit sehr viel Freude. Ich lief dann so lange, bis ich gemerkt habe, dass es mir nicht mehr gut tut. Auch das ist eine sehr individuelle Sache, die jeder für sich selbst entscheiden sollte – gemeinsam mit dem Arzt.

Ballett

  • Ballett? Ja, echt. Dass das geht, zeigt Mary Helen Bowers

Krafttraining mit Hanteln, CrossFit

  • Wer darin lange Erfahrung hat, kann selbst Hanteltraining weiter betreiben – nur das Gewicht sollte angepasst werden
    Jedwede Sportart, in der Ihr womöglich ohnehin schon Profi seid: Yoga, Schwimmen, Indoor-Cycling – dass Ihr die Trainingsintensität irgendwann automatisch anpassen solltet, versteht sich von selbst.

Das sollten alle Schwangere vermeiden

High-Impact-Workouts

  • Body Jam, Body Combat, Trampolinspringen, Tennis, Squash, Fußball, Basketball, Kampfsport, Seilspringen, Burpees, Step-Aerobic, Laufband o.ä. – aber das erklärt sich ja fast von selbst

Sportarten mit erhöhter Sturzgefahr

  • Skifahren, Reiten, (Renn-)Radfahren, Inlineskaten, Skaten etc.
    Übungen, die zu viel Körperspannung verlangen und insbesondere die gerade Bauch- oder Rumpfmuskulatur beanspruchen
  • Klimmzüge, Liegestütz, Crunches, Sit-ups, Flexi-Bar-, Rope-, Suspension- oder Kettlebell-Training, Training mit zu viel Gewicht oder Widerstand

Manche Dehnübungen

  • Bewegungen in die Streckung, Aushängen – das ist meist sehr individuell

Trainieren, wenn Ihr Euch nicht gut fühlt

  • in der Schwangerschaft kann sich jeder Tag anders anfühlen – umso bedeutender, immer mal wieder in sich hineinzulauschen und ehrlich zuzugeben, ob man fit genug für ein Workout ist
  • Alles ist auf das Wohl Eures Kindes ausgerichtet, Eure Intuition ist besser als Ihr glaubt, wenn sich etwas für Euch nicht gut anfühlt, dann ist es das meist auch nicht

Viel Spaß beim Training und neun wunderbare Monate wünsch ich Euch!

Quellen

[1] Schwangerschaft und Sport – PD Dr. U. Korsten-Reck http://link.springer.com/article/10.1007/s00129-011-2852-1[2] Untersuchung der Assoziation von sportlicher Aktivität zur Frühgeburtlichkeit anhand der „BabyCare“ Daten« http://d-nb.info/106387503X/34

Diana Dua | Lizenzierte Personal Trainerin | facebook.com/KOERPERGOLD
diana.dua@koerpergold.de | www.koerpergold.de