Wenn es um Sport, insbesondere Fitness- und Krafttraining geht, scheinen viele Menschen der Meinung zu sein man könnte zu viel tun, zu lange, zu intensiv oder zu oft trainieren. Dieser Artikel möchte genau diesem Mythos einen fetten Strich durch die Rechnung machen und sogar noch einen Schritt weiter gehen. Bewusstes und gezieltes überlasten mit Phasentraining und auch noch Spaß dabei!

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Was du über Phasentraining wissen solltest

Phasentraining, auch unter Dual-Factor Training (DFT) bekannt, ist ein Trainingssystem im Bodybuilding und Kraftsport. Konzipiert wurde es von Matt Reynolds, einem amerikanischen Elitepowerlifter und zertifizierten Strength and Conditioning Specialist. Trotz der durchaus wichtigen Theorie, schneiden wir das Prinzip hinter Dual-Factor nur grob an und werfen unser Hauptaugenmerk auf die praktische Umsetzung. Wichtig für dich zu wissen:

  • das Training gliedert sich in 2 Phasen: die Belastungs- und Entlastungsphase (Load & Deload)
  • Phasentraining ist eine Methodik für fortgeschrittene Sportler die bereits mehrere Jahre trainieren
  • eine Phase dauert mehrere Wochen, wird jedoch nicht streng auf eine starre Dauer festgelegt
  • der eigentliche Muskelaufbau findet rückorientiert in der Entlastungsphase statt
  • ein gewisses partielles Übertraining ist hier sogar gewünscht und Zeichen die Deload einzuleiten

Die Dual Factor Methode ist im Prinzip eine bessere und weiterentwickelte Variante des Superkompensationsprinzips. Dieses Modell setzt Erholung, Training und Ermüdung in zeitliche Abschnitte und beschreibt einen groben Überblick über die Trainingsplanung und den „optimalen“ Zeitpunkt zu trainieren.

Im Phasentraining spielen 2 Phasen eine entscheidene Rolle, Belastung (Load) und Entlastung (Deload). Was bedeutet dies genau? Die Belastungsphase zielt auf ein bewusst intensives und/oder hochvolumiges Training, bis an die Grenze der Überlastung ab = (extremer) Reiz. In der Entlastung wird ebenfals trainiert, jedoch mit wesentlich weniger Intensität und Volumen, was durch Manipulation verschiedener trainingsbestimmender Parameter ermöglicht wird.

Da ich das Training in der Deload um etwa 50% weniger intensiv gestalte, hat der Körper Zeit zur Anpassung und aktiven Erholung aus welcher nachfolgend Wachstum und Kraftzunahme resultieren. Es ensteht zusätzlich ein Effekt der mit einer Dekonditionierung vergleichbar ist, hier geschieht sie praktisch gewollt in der Ruhephase die deshalb auch gut 3-5 Wochen, bzw. so lange bis ich mich fitter und erfrischt fühle, dauern sollte. Auch stellt die Entlastung im Phasentraining eine Empfänglichkeit für Mikrotraumata wieder her und ermöglicht es neue Reize zu „loaden“.

Phasentraining in der praktischen Umsetzung

Packt die Jogamatten weg, nach der trockenen Theorie geht es auf ins Reich von Eisen und Schweiß – der folgende Abschnitt soll einen Überblick über die Umsetzung und Durchführung eines DFT-Zyklus geben. An erster Stelle sei erwähnt: Phasentraining ist nichts für Anfänger und Trainingsneulinge – die erzeugte Intensität ist zu hoch, bzw. gar nicht nötig bei einem geringen Trainingsstand. Stichwort „Trainingsschere„: je geringer der Leistungsstand und die Trainingserfahrung, desto geringere Reize sind nötig um z.B. Muskelwachstum zu provozieren. Ist der Athlet erfahrener und schon länger dabei, so driftet diese Schere in Punkto Reizgröße und erforderlicher Reizhöhe logischerweise auseinander. Damit sei also dem Beginner mit erhobenem Zeigefinger bewiesen das Phasentraining etwas für Fortgeschrittene ist und auch bleibt!

Bei der Dauer einer Phase ist es ratsam keine dogmatische Zeitspanne festzulegen, sondern individuell und nach Reaktion des Körpers zu agieren (ein weiterer Grund warum es für Anfänger nicht geeignet ist). Load und Deload müssen dabei auch keine identische Dauer aufweisen.

 

Parameter für Load & Deload

Folgende Parameter können u.a. zur Realisierung eingesetzt werden, um Be- und Entlastung zu gestalten und bewusst in die jeweilige Richtung zu lenken:

  • Volumen (Anzahl der Sätze und Wiederholungen)
  • Trainingsfrequenz (Häufigkeit pro Zeitspanne z.B. Woche)
  • Dichte (Anzahl an Übungen pro Muskel/Training)
  • Intensität (Intensitätstechniken, Pausenzeiten…)
  • Progression (Art und Häufigkeit von Steigerungen z.B. in der Arbeitslast)

 

Eine Belastungsphase kann mit einem hohen Volumen starten oder progressiv so aufgebaut werden, dass sich der Umfang an  Sätzen stetig und rasant erhöht. Beide Vorgehensweisen bieten Vor- und Nachteile, dass schrittweise erhöhen des Volumens macht den Einstieg leichter und bietet linerare Anpassungen. Nutze ich diesen Parameter voll aus, sollte in der Deload, also Entlastung eine Reduzierung des Volumens um gut 50% vorgenommen werden. Statt 6 Sätzen Bankdrücken in einer Load, dann also 2-3 Sätze in der Deload. Gut kombinieren lässt sich dieser Parameter mit der Dichte/Menge an Übungen und Trainingshäufigkeit zu einem wirklich wiederlichen Cocktail aus Training, Training und … häufigem Training.

Ähnlich lässt sich die Trainingsfrequenz in beiden Phasen steuern: direkt oft pro Woche einsteigen, oder wochenweise die Anzahl der Trainingseinheiten erhöhen. Hierbei ist eine clevere Splittung (2er Push/Pull / 3er Split) empfehlenswert. 5-7 Trainingseinheiten sind dadurch möglich, auch 2 Einheiten pro Tag kann man realisieren – also Arschbäckchen zusammenkneifen, am Morgen Kreuzheben und Rudern und Abends gemütlich Bankdrücken und Dippen, machbar? JA! Die Trainingshäufigkeit sollte in der Entlastung auch um etwa 50% reduziert werden, trainiere ich also z.B. 5-6x pro Woche in der Belastung, sind es in der Deload noch 2-3 TEs wöchentlich.

Die Intensität lässt sich im Phasentraining relativ simpel über bestimmte Intensitätstechniken steuern, dass Einbauen von Reduktionssätzen, unterschiedlichen Kadenzen (Ausführungsgeschwindigkeiten) oder kürzen von Satzpausen sind da nur einige Beispiele. Habe ich z.B. keine Lust auf krasses Volumen oder enorm viele Übungen, garniere ich den Trainingsplan mit einigen dieser Techniken. Auch Girondas 8×8 Training , EMOM oder Doggcrapp sind prominente Möglichkeiten den Muskel und die Ausdauer zum heulen zu bringen.

Phasentraining, Dual FaktorProgression, also die Steigerung per se ist natürlich Fundament eines jeden erfolgreichen Trainings, diese Tatsache lässt sich jedoch für unsere fiesen Zwecke nutzen und auf die Spitze treiben. Erzwungene Progression, damit habe ich vor einigen Jahren mit einem kleinen Trick hervorragende Erfolge verzeichnen können. RPT – Rest Pause Training bzw. Clustering, also das anhängen von weiteren Wiederholungen nach einer minimalen Verschnaufpause von 5-10 Sekunden. Damit erzwinge ich weitere, möglichst saubere Wiederholungen nach dem Muskelversagen und steigere automatisch das Arbeitsgewicht parallel.

Kann man in der Load durchaus übertrieben einsetzen, je nach Trainingsstand führt ein solches Vorgehen zu einem raschen ermüden des ZNS (zentrales Nervensystem), gerade in Verbindung mit komplexen Grundübungen. Mit dem Faktor Muskelversagen kann man allerdings gut experementieren und ihn gezielt in der Belastungsphase einsetzen, um davon in der Deload zu profitieren und selbiges dabei zu reduzieren bzw. komplett zu vermeiden.

 

Zusamenfassung

Fassen wir diese vor Komplexität nur so strotzenden Parameter zusammen ergibt sich zumindest für den Anwender ein Bild des Grauens, durchaus gewollt. Vereinfachen wir das Phasentraining: man kann in der Load oft, hochvolumig, extrem intensiv, aber auch sehr abwechslungsreich trainieren, oder man kombiniert gewisse Werkzeuge miteinander. Ziel ist die temporäre Überlastung der Muskulatur, bei welcher man bitte rechtzeitig die Entlastungsbremse zieht. Kann ich auf biegen und brechen nicht weiter steigern, beeinträchtigt ein anhaltender Ermüdungsszustand meinen Alltag, schlafe ich wesentlich schlechter und fühle mich generell mies und unlustig Gewichte zu bewegen, ist es mehr als Zeit zu entlasten.  Damit man aber auch mal gesehen hat wie ein Zyklus aufgebaut sein kann, folgen 2 Beispiele.

Phasentraining Beispiel Trainingspläne

Load – Volumen/Dichte

Woche 1 & 2 – Push (Training 4-5x / Woche)

  • 3-4x Kniebeugen
  • 3-4x Bankdrücken
  • 3-4x Dips
  • 3-4x Lh-Schulterdrücken
  • 3-4x Seitheben
  • 3-4x French-Press

Woche 1 & 2 – Pull (Training 4-5x / Woche)

  • 3-4x Kreuzheben
  • 3-4x Klimmzüge
  • 3-4x Kh-Rudern
  • 3-4x Facepulls
  • 3-4x Sz-Curls
  • 3-4x Hyperextensions

Woche 3 & 4 – Push (Training 5-6x / Woche)

  • 4-5x Kniebeugen
  • 4-5x Beinstrecker
  • 4-5x Bankdrücken
  • 4-5x Dips
  • 4x Butterfly
  • 4-5x Lh-Schulterdrücken
  • 4-5x Seitheben
  • 4-5x French-Press
  • 4x Trizepsdrücken am Seil

Woche 3 & 4 – Pull (Training 5-6x / Woche)

  • 4-5x Kreuzheben
  • 4-5x Klimmzüge
  • 4-5x Kh-Rudern
  • 4x Inverted Rows
  • 4-5x Facepulls
  • 4x Hammercurls
  • 4-5x Sz-Curls
  • 4-5x Hyperextensions
  • 4x Wrist Roller

Hinweis: ab Woche 5 könnte man 1-2 weitere Übungen ergänzen, die Satzzahl nochmals erhöhen, die Häufigkeit auf 6+ Einheiten erhöhen, oder bereits entlasten. Eine Möglichkeit für eure Deload:

Entlastung  Push (Training 3-4x / Woche)

Entlastung  Pull (Training 3-4x / Woche)

  • 3x Kreuzheben
  • 3x Klimmzüge
  • 3x Bankrudern
  • 3x vorg. Seitheben
  • 3x Zottman Curls

 

Hinweis: Arbeitsgewichte werden in der Deload dennoch, wenn auch etwas zaghafter gesteigert. Eine andere Splittung als in der Load ist möglich.

 

Fazit

Phasentraining ist eine der effizientesten und gleichzeitig auch brutalsten Möglichkeiten nachhaltig für Abwechslung und Anpassung im Bereich Kraft- und Muskelaufbau zu sorgen. Die Tatsache das sich nahezu alle bekannten Methodiken, Trainingssysteme und Intensitätstechniken damit kombinieren lassen, stellt eine gewisse Überlegenheit dieser Zyklen dar. Eine wirkliche Neuerfindung ist die Dual Factor Methode nicht, gewisse Stressmikrozyklen oder auch russisches Blocktraining nach Zatsiorsky [1] basieren auf ähnlichen Überlegungen einer zyklisch angepassten Belastungssteuerung.

Je intensiver und extremer ich in eine Belastungsphase einsteige, desto kürzer wird diese i.d.R. andauern, bis ich gezwungen bin zu entlasten. Steigere ich gemütlicher, kann ich die Zyklen mehr in die Länge ziehen. Beide Vorgehensweisen bieten Vor- und Nachteile. Dem interessierten und schon vor Motivation lechzenden Leser sei gesagt: Versuch macht klug!

Literatur

[1] Krafttraining Praxis und Wissenschaft – Vladimir M. Zatsiorsky 2. Auflage

Krafttraining: Praxis und Wissenschaft
  • Zatsiorsky, Vladimir (Autor)

Letzte Aktualisierung am 27.07.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API