Trainieren bei Schmerzen – Viele von uns kennen das folgende Szenario: Man trainiert eine Weile, macht sehr gute Fortschritte, doch irgendwann zwickt es etwas. Die am häufigsten betroffenen Körperstellen sind übrigens die Schulter und der Rücken. Doch weil man so gute Fortschritte gemacht hat, trainieren bei Schmerzen die meisten einfach
weiter.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz… oder? Einfach den Schmerz wegtrainieren. No pain, no gain. Ist das eine sinnvolle Vorgehensweise?

In diesem Artikel gehen den Fragen auf den Grund:

  • Was sind Schmerzen eigentlich?
  • Trainieren bei Schmerzen – ja oder nein?
  • Wie gehe ich richtig mit Verletzungen um?

Bereit? Los geht’s!

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Schmerzen verstehen

Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, welchen Zweck Schmerzen eigentlich haben und wie diese entstehen? Vielleicht denkst du dir: Ja klar, du haust dir den Fuß am Nachttisch an und er tut weh. Logisch. Obwohl das soweit stimmt, ist es doch etwas komplizierter. Schmerz entsteht nämlich in erster Linie nicht lokal an einer bestimmten Körperstelle z.B. dem gestoßenem Fuß, sondern auf der höchsten Instanz in unserem Körper: Unserem Gehirn.

Vereinfacht gesagt: Wenn unser Gehirn der Meinung ist, dass unsere physische oder psychische Unversehrtheit in Gefahr ist, reagiert es mit Schmerzen. Deswegen tut es auch weh, wenn wir uns den Fuß stoßen. Allerdings kann das Gehirn in Extremsituationen auch der Meinung sein, dass ein Schmerzsignal gerade eine ungünstige Idee ist. Beispielsweise wenn dir ein Hai das Bein abbeißt. Dann ist die bessere Idee, das Schmerzsignal auszusetzen und zunächst der Gefahrensituation zu entkommen.

Dieses Extrembeispiel verdeutlicht, was tagtäglich passiert: Ob wir Schmerz wahrnehmen, hängt von vielen äußeren Faktoren ab: Unseren Erfahrungen, Glaubenssätzen, Zielen, Einstellungen, Stress, unbewussten Konflikte usw. Schmerz ist in diesem Sinne zunächst ein Warnsignal und deutet nicht zwangsläufig auf eine Verletzung hin. Nun steht die Frage im Raum: Trainieren bei Schmerzen – ja oder nein?

Trainieren bei Schmerzen – ja oder nein?

Wenn wir nun wissen, das Schmerzen in erster Linie einen Warncharakter haben, können wir besser einschätzen, ob Training bei Schmerzen eine gute Idee ist. Du darfst dir die Frage stellen: Liegt eine akute Verletzung vor oder sind die Schmerzen sukzessive gekommen?

Stellst du vielleicht fest, dass dir ein Stück Knochen aus dem Arm guckt, sollte das Curlen zunächst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Natürlich ist das Beispiel überspitzt. Ich denke, du verstehst, worauf ich hinaus will. Stellst du allerdings fest, dass bestimmte Bewegungen einen Schmerz verursachen und du kannst dafür keine bestimmte Verletzungsursache ausmachen? Dann lässt sich dies als Selbstschutz des Körpers interpretieren, der eine potentielle Verletzung vermeiden möchte. Die Antwort auf die Frage: Trainieren bei Schmerzen – ja oder nein? Lautet also:

Es kommt darauf an. Bei einer akuten Verletzung sollte die verletzte Körperpartie ausgespart bleiben. In allen anderen Fällen kannst du das Krafttraining bei Schmerzen an die Umstände anpassen. Wie das geht? Gut das du fragst….

6 Methoden, um das Training bei Schmerzen fortsetzen zu können

Schmerzen sind doof. Und sollten kein Grund sein, das Training sausen zu lassen. Als Athlet und Trainer habe ich stets nach Methoden gesucht, wie ich meine Klienten und mich selbst am Ball halte, falls doch einmal Schmerzen auftreten. Die hier vorgestellte Liste wird dir dabei helfen, das Training bei Schmerzen fortsetzen zu können.

Methode #1: Mobilisieren der Strukturen darüber oder darunter

Das erste mal wurde ich durch Kelly Starrett auf diese Vorgehensweise aufmerksam. Und sie funktioniert in der Praxis erstaunlich gut. An einem einfachen Beispiel lässt sich das Prinzip verdeutlichen: Eine der am häufigsten schmerzenden Körperpartie ist der untere Rücken. In der Lendenwirbelsäule (LWS) ist Pi mal Daumen eine Rotation von ca. 6-8° möglich. Durch unseren übermäßig sitzenden Alltag ist die Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule (BWS) und der Hüfte allerdings häufig eingeschränkt. Infolgedessen kompensiert der unteren Rücken für seine unbeweglichen Nachbarn.

Die Konsequenz: Strukturen im unteren Rücken werden überreizt und fangen an, weh zu tun. Wenn dies der Fall ist, ist es eine gute Idee, die BWS und die Hüfte zu mobilisieren, damit die LWS entlastet wird.

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  • Werde ein geschmeidiger Leopard – aktualisierte und erweiterte Ausgabe: Die sportliche Leistung...
  • Starrett, Kelly (Autor)

Dasselbe Prinzip funktioniert für fast alle anderen Strukturen im Körper. Wende diese Methode in deinem Warm-Up an, um das Trainieren bei Schmerzen zu ermöglichen.

Methode #2: Trainieren im schmerzfreien Bereich

Oftmals treten Schmerzen beim Training einer bestimmten Übung nicht im kompletten Bewegungsumfang auf. Dann macht ein bestimmter Winkel oder eine bestimmte Winkelstellung Probleme.

Die Lösung des Problems: Lass den schmerzenden Bewegungsradius aus. Beispielsweise treten bei einem Schulter-Impingement häufig Schmerzen in einer Abduktion des Oberarmes zwischen 60° und 120° auf. Die Lösung in diesem Beispiel wäre zum einen, die Übungsausführung zu verbessern und zum anderen, die Bewegungsradius ausschließlich bis 60° auszuführen. Zusätzlich kann mit Hilfe isometrischer Übungen in einem bestimmten Winkel die Kraft 15°
darüber und 15° darunter gesteigert werden. Beim Training mit Schmerzen sind beide Möglichkeiten ein unerlässliches Tool, um schnelle Ergebnisse zu erzielen.

Methode #3: Finde eine alternative Übung, die schmerzfrei möglich ist

Wenn Bankdrücken nicht schmerzfrei geht, finde eine alternative Übung. Zum Beispiel Bizeps-
Curls.

Okay, jetzt ernsthaft: Es gibt grundlegende Bewegungsmuster, die sich grob in sechs Kategorien unterteilen lassen:

  • Squat (Kniebeugen),
  • Hip Hinge,
  • Lunge (Ausfallschritte),
  • Push,
  • Pull,
  • Carry.

Bankdrücken zählt beispielsweise zu einer Push-Variante. Wenn nun Bankdrücken Probleme bereitet, warum zur Hölle sollte diese Übung forciert werden?
Eine smarte Alternative, um langfristig Fortschritte zu generieren, ist es nun, eine schmerzfreie Alternative als Push-Übung zu finden. Beispielsweise Kurzhantel-Bankdrücken mit neutralem Griff.

Oder wenn der Rücken bei Kreuzheben schmerzt. Dann ist Kreuzheben keine Pflicht, sondern gehört zunächst auf die Ersatzbank. Eine gute Alternative für ein Hip Hinge-Pattern ist dann beispielsweise die Übung Pull Through, bei der kaum Belastung auf den unteren Rücken entsteht.

Umgang mit Schmerzen beim Trainieren

Forciere keine Übungen, aber trainiere Bewegungsmuster. In jeder Kategorie gibt es mehr als genug
Übungen.

#4: Das richtige Mindset

Googlest du nach deinen Symptomen, findest du wahrscheinlich eine der drei Antworten:

  • Du stirbst bald,
  • du hast Krebs oder
  • du bist schwanger.

Und genau da liegt der Hund begraben: Zu viele Menschen begeben sich zu schnell in ein Patienten-Mindset. Nur weil etwas piekst, zwickt oder leicht weh tut, bist du nicht gleich schwanger. Wir haben weiter oben gesehen: Die Psyche hat einen großen Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung. Was glaubst, wer hat das „bessere“ Mindset: Jemand, der sich in der Patientenrolle sieht oder jemand, der aktiv Lösungen sucht? Ja, es ist eine gute Idee, bestehende Problem von einem Fachmann abklären zu lassen. Aber renne bitte nicht wegen jedem kleinen Wehwehchen zum Onkel Doktor, okay?

In den meisten Fällen reicht es tatsächlich aus, zunächst 2-3 Tage zu pausieren, einen anderen Ansatz zu wählen und etwas defensiver zu trainieren. Wenn sich dann keine Besserung einstellt, ab zum Arzt.

Methode #5: Nicht in den Schmerz hineintrainieren

Weiter oben haben wir es bereits kurz angesprochen: Trainiere nicht in den Schmerz hinein! Niemals! Wir wissen: Das Gehirn lernt das am schnellsten, was wir am häufigsten machen. Wenn du nun bei jeder einzelnen Wiederholung Schmerzen beim Training empfindest, was lernt dann unser Gehirn? Genau! Schmerzen! Das Gehirn assoziiert dann diese bestimmte Bewegung mit Schmerzen und genau das wollen wir vermeiden.

Methode #6: Wenn alles nichts bringt, checke die anderen Systeme

Wenn die bereits vorgestellten Methoden nichts bringen, dann kann es eine gute Idee sein, die anderen Systeme zu checken:

  • das Gleichgewichtsorgan,
  • das periphere Sehfeld,
  • den Riechkolben usw.

Denn unser Gehirn kann nur in dem Maße auf die Umwelt reagieren, wie es die Umwelt wahrnimmt. Übersetzt bedeutet das: Je besser der Input, desto besser der Output.

Training bei Verletzung

Auch bei Verletzungen ist das Training möglich. Dabei nutzen wir den „Contralateral Strength Training Effect“. Studien haben gezeigt, dass das Training der unbetroffenen Seite einen positiven Übertrag auf die betroffene Körperseite hat. Ein einfaches Beispiel: Du hast dir eine Verletzung im linken Oberarm zugezogen. Durch unilaterales Training des rechten Armes gibt es nun einen neuronalen Overflow, der dafür sorgt, dass die untrainierte Seite dennoch stärker wird und Muskelmasse erhalten bleibt. Grund dafür sind Veränderungen im Gehirn und zentralen Nervensystem, die durch Krafttraining getriggert werden.

Stelle dir vor, du lernst eine neue Fähigkeit wie zum Beispiel den Bizeps-Curl. Wenn du ihn mit einer Seite bereits ausgeführt hast, hat das Gehirn eine Idee davon, wie die Bewegung mit der anderen Seite ausgeführt werden muss. Diesen Effekt können wir uns bei Verletzungen zunutze machen und die Betroffene Seite vor Muskelabbau bewahren.

Trainieren bei Schmerzen – Fazit

Schmerzen beim Training sind ein echter Spielverderber. Oftmals steht dann die Frage im Raum: Trainieren bei Schmerzen – ja oder nein?
Die Antwort ist ganz klar: Kommt drauf an.

Mit einigen Anpassungen wird es möglich sein, das Training fortzusetzen. Mit den hier vorgestellten Methoden solltest du in die Lage versetzt werden, intelligente Entscheidungen für dein Training zu treffen.

Viel Erfolg dabei!

zur Homepage des Autors: www.felixkade.de

Letzte Aktualisierung am 27.07.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API