Die Welt ist voll von angeblichen Hardgainern, haben diese einfach nur dünnen, scheinbar nicht auf Nahrungsmassen und hartes Training ansprechenden Lebewesen einfach nur schlechte Gene und einen zu „schnellen“ Stoffwechsel? Meistens nicht, denn „ich esse ja schon so viel“ ist zu 99% immer noch zu wenig und mit 3-4 Mahlzeiten am Tag, langen Pausen und mehr Fastfood als sportbezogener Ernährung kann es auch nichts werden.

Natürlich richten sich die folgenden Punkte nicht nur an extreme Hardgainer, darum möge sich jeder die passenden Tipps zum effektivieren Muskelaufbau raussuchen.

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1 – Kalorien zählen vs. Scheunendreschermodus

Grundproblem Nummer 1 ist die Annahme das es an der aufgenommenen Nahrungsmenge nicht liegen kann, wenn Waage und Bizeps keine Tendenz nach oben zeigen. Jetzt frage ich mal die 60-Kg Experten die das von sich behaupten: Woran denn bitte sonst? Mehr zu essen als der Durchschnitt muss noch lange nicht genug sein, die häufigste schwammige Maßeinheit für dieses Denkmuster ist „Teller“. 3 Teller von XYZ zum Abendessen genügen noch lange nicht wenn kein brachiales Frühstück, ausgeweitetes Mittagessen und diverse Zwischenmahlzeiten integriert werden. Jetzt zum Kernthema dieser Überschrift: wann macht Kalorienzählen Sinn? In bestimmten Fällen einer hartnäckigen Fettschicht in Diät-Phasen und wenn viel essen allein eben nicht auszureichen scheint.

Auf Dauer ist das tägliche berechnen der Energiemenge nicht unbedingt produktiv, man verliert den Blick fürs wesentliche und macht seinen Tagesablauf von Handyapps und Onlinerechnern abhängig. Weiß man jedoch grob was nötig ist um definitiv kontrolliert zuzunehmen, ist es angebracht hin und wieder stichprobenartig zu checken wie die Tagesbilanz gerade aussieht. Nach gewisser Zeit sollte dann eine Routine verinnerlicht sein und man kann grob einschätzen ob die derzeitige Ernährung ausreicht. Ist man aber noch im ahnungslosen Stadium ist das beschriebene Vorgehen durchaus angebracht und hilfreich.

2 – Ernährung Level „Mülleimer“

Nach dem Training zum Burgerschnellimbiss, Cola zum decken des täglichen Flüssigkeitsbedarfs und jeden Abend eine Tüte Chips garniert mit Schokolade vor dem Trash-TV? Möglich und nicht unrealistisch wenn man sich zumindest die sportferne Bevölkerungsgruppe einmal genauer ansieht. Uns soll jedoch eben gerade sportlich, fit, definiert muskulös und gesund von Cindy-Chantalle und Kevin-Pascal unterscheiden. Ja wir brauchen große Mengen von Kalorien wenn es uns schwer fällt an Masse zuzulegen, das impliziert bzw. rechtfertigt jedoch keine überwiegende Fastfood-betonte Ernährungsweise. Zu viel unnützes Fett (Transfettsäuren) aus Burgern, Chips und Pommes in Verbindung mit Massen an Zucker aus Süßigkeiten und Softdrinks sorgen nicht nur für eine erhöhte Fetteinlagerung, sie haben eben auch negative Auswirkungen auf Körper und Gesundheit.

Ein recht treffendes Beispiel ist der Körpertyp „Skinnyfat“ – schmächtig aber mit integrierten Schwimmreifen und Pausbäckchen. Wenn ein übermäßig hartes Training nämlich meine Mülleimerernährung nicht kompensiert, ist die einzige Verbuchung auf dem Zunahmekonto Fett. Na klar kann man gerade in einer positiven Kalorienbilanz eher sündigen als in einer strengen Diät, im groben und ganzen sollten meine Mahlzeiten jedoch gesund und sportbezogen aussehen um eben überwiegend Muskulatur aufzubauen.

3 – Sicherung des Eiweißbedarfes

Wenn euch die stark übergewichtige Ernährungsberaterin im Frauenfitnessstudio erzählt das in etwa eine Scheibe Käse extra am Tag genüget um den sportbezogenen Eiweißbedarf zu decken – kündigt und meldet euch in einer dunklen, dreckigen nach Rost und Schweiß riechenden Pumperhöhle an und fragt mal „Bowlingpin“-Unterarm Udo was er dazu sagt. Mit dieser Hyperbel möchte ich verdeutlichen das es die Scheibe Käse extra eben bei weitem nicht bringt, die gängigen Empfehlungen gehen zwar stark auseinander mit 1,8-2,2g Eiweiß pro Kg Körpergewicht am Tag [1] fährt man aber in der Regel am besten.

4 – Mahlzeitendichte

Sofern ich kein alleinerziehender Vater von 5 Kindern mit 60h Job und pflegebedürftiger Verwandschaft bin (soll es geben), kann und sollte ich mich mit dem Gedanken anfreunden das 3 Mahlzeiten am Tag wohl nicht ausreichen werden, erst recht nicht, wenn es damit bisher auch nicht klappte. Ausgeschlossen ist es grundsätzlich nicht, Stück für Stück allerdings eine Mahlzeit einzuschieben, ähnlich wie ich das Volumen im Training erhöhe in dem ich mehr Sätze mache, ist ein Schritt in die effiziente Richtung.

Soll heißen: von heute auf Morgen aus bisher z.B. 3-4 Mahlzeiten mal eben 8 zu machen wird u.U. vor den Baum laufen – einfach weil der Körper in seinem Stoffwechsel und seiner Physiologie ein Gewöhnungstier ist, der auf eine zu krasse Einstellung eben auch krass reagieren kann. Das klingt zwar furchtbar schwammig, ist aber in der Praxis in bestimmten Situationen nicht halb so lustig wie es sich anhört. Wie ich das bei einem dennoch stressigen Tagesablauf umsetze, erfahrt ihr im nächsten Punkt. Zuvor aber noch ein kleines Video zur Auflockerung, welches Punkt 1 und 4 wunderbar untermauert:

5 – Zeitmanagement, Vorbereitung ist alles

Kurzgefasst: Reis, Eier, Hähnchen und Tupperdosen werden deine Freunde. Fast niemand hat die Zeit, oder je nach Prioritätenverteilung sich 3,4 oder 5x eine komplexe Mahlzeit am Tag zuzubereiten. Wenn ich jedoch bei jeder Kochsession mehr koche als ich esse, landet der Überschuss nicht im Bioabfall, sondern in gut verschliessbaren Dosen, die am nächsten Tag aus dem Kühlschrank in der Arbeitstasche landen. Ob Rührei am Abend, 1,2Kg Hähnchenbrust aufgeteilt oder 3 Beutel Reis im Topf – niemand braucht fade und faule Ausreden wenn er sich sein Essen vorbereitet. Eier gekocht gehen eh immer und Reis mit etwas Thunfisch, Gemüse und Öl bekommt man auch kalt problemlos runter. Den Magerquark mit Heidelbeeren auf dem Schreibtisch oder neben der Maurerkelle – denn wer wirklich zunehmen will, findet auch die Zeit vorzukochen und das ganze dann über den Tag verteilt zu vertilgen.

6 – Kalorienbomben die nicht fehlen sollten

Im Bereich der Kohlenhydrate haben Reis, Pasta und Haferflocken eines gemeinsam: fette 350-360Kcal pro 100g und jetzt mal ehrlich: 100g Pasta sind ein Witz, 300g draus gemacht und wir haben satte 1000kcal auf dem Teller, dazu 2,3 Scheiben Käse und etwas Rapsöl, Tomaten oben drauf und unsere Nudelmahlzeit enthält über 1500kcal bei einem ansehnlichen Eiweißanteil. Öl ansich ist nicht nur eine gute Quelle für ungesättigte Fettsäuren, Stichwort Omega 3/6, sondern enthält pro Esslöffel auch gute 100-150 Kcal. 1-3 EL Öl, bestenfalls Raps/Olive jeden Tag bringen also schon gute 300-400 Kcal ohne Aufwand aufs Energiekonto. Wer das ganze pur nicht runterbekommt, die eben erwähnte Pasta, auf Reis oder über den Salat – fertig. Bei der Käsescheibe waren wir doch heute auch schoneinmal, so übel ist z.B. ein Stück Maasdamer gar nicht: 9g Eiweiß bei 130 kcal können sich sehen lassen. Haferflocken mit Rosinen, Nüssen und einer Banane zusammen mit 300ml Milch können auch bis zu 800kcal auf dem Frühstückstisch ergeben. Bevorzugte, relativ kalorienreiche Lebensmittel in der Zusammenfassung:

  • Öl – 115 Kcal / EL
  • Reis – 355 kcal / 100g
  • Pasta – 355 kcal / 100g
  • Haferflocken 355 kcal / 100g
  • Nüsse – 550-650 kcal / 100g
  • Käse – 90-130 kcal / Scheibe
  • Bananen – 110-130 kcal / pro Banane
  • Rinderfilet 585 kcal / 300g Steak
  • Eier ~ 100 kcal / Ei
  • Erdnussbutter – 580 kcal / 100g
  • Chia-Samen – 75 kcal / 25g

7 – die PWN berücksichtigen

Die PWN meint die Ernährung nach dem Training (Post-Workout-Nutrition), eines der meist diskutierten Themen der Fitnesslandschaft. Ob nun mit Dextrose und co, in Kombination mit Eiweiß, erstmal nur Aminosäuren und später die große Mahlzeit es ist und bleibt kein Optimierungsfaktor den man vernachlässigen sollte. 1-2h nach dem Training ist zumindest die Resyntheserate von Glykogen erhöht [1][2][3] – der Körper nimmt also noch effizienter Kohlenhydrate/Zucker auf um die im Training ermüdeten Energiespeicher der Muskulatur wieder aufzufüllen.

Soweit die Theorie, Dextrose in Verbindung mit etwas Eiweiß – Whey oder ein paar Aminos sorgt neben der Bereitstellung von Energie ebenso auch für eine Insulinspitze die uns die Muskelzelle förmlich „aufschliesst“ und den Weg für Aminosäuren ebnet. Wir sprechen hier ganz ohne Tabletten oder Spritzen von anaboler, also muskelaufbauender Wirkung – genau das richtige für den leidgeplagten Hardgainer. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt das auch die alleinige Gabe von Aminosäuren einen gewissen Insulinanstieg bewirkt – soll uns aber jetzt mal nicht weiter interessieren. Etwa 1h nach Trainingsbelastung darf dann ruhig eine komplexe Mahlzeit, die von allen 3 Makronährstoffen (Kh, Fett, Eiweiß) eine ordentliche Portion enthält, folgen.

8 – Wasserzufuhr

Hardgainer Wasser2-3 Liter Flüssigkeit pro Tag, bestenfalls in Form von Wasser ergänzend Kaffee, Obst und Gemüse. Pro Stunde Training kann der Körper mehrere Liter Schweiß verlieren [2,3] – das sollte muss kompensiert werden – Möglichkeiten dafür: vor und nach dem Training auf die Waage und die Differenz trinken, man geht auf Nummer sicher, ist aber aufwendig. 1-2L in härteren Einheiten reinzukippen genügt im Normalfall. Ein gut hydrierter Körper ist auch beim zunehmen essentiell da der bewässerte Zustand auch das Blut dünn hält und eine vernünftige Fliessgeschwindigkeit der oben eingeladenen Nahrungsmassen zu gewährleisten. Trinkt man unter Bedarf ist die zunahme von Muskelmasse in Gefahr, denn zum einen kommt der eben erwähnte Transport von Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fetten und Mikronährstoffen ins stocken, zum anderen ruiniere ich mir die Nieren bei gleichzeitig hoher Eiweißzufuhr.

9 – Ernährungstagebuch führen

Natürlich nicht zwangsläufig alles in Schriftform festhalten, unser Forum bietet jedoch die Möglichkeit neben dem Trainingslogbuch auch ein Tagebuch zur Ernährung zu führen. Das Moderatorenteam und viele erfahrene User können dabei natürlich direkt wertvolle Tipps und Verbesserungsvorschläge geben und kommentieren ob man sich tatsächlich in die gewünschte Richtung bewegt. Nach einer kostenlosen Registrierung kann jeder im Ernährungsbereich des Forums sein eigenes Tagebuch eröffnen und sich Ratschläge von der Muscle-Corps Community holen.

Fazit: es steht und fällt mit der aufgenommenen Energiemenge – hört mir auf mit Sprüchen wie: „eine Kalorie ist nicht gleich eine Kalorie“ – solche dogmatischen Sprüche wo sie hin gehören, wer Pommesarme- und Beine sein eigen nennt muss reinhauen, gesund, aber viel und konsequent. Halte ich mich an den überwiegenden Teil dieses Artikels und habe Geduld, dann werden sich die Erfolge auf der Waage auch einstellen. Sich zu oft zu wiegen ist wie auch in Diätphasen nicht unbedingt nötig, eine klare Wochentendenz von mindestens 250g + sollte jedoch erkennbar sein. Falls nicht, einfach die tägliche Kalorienmenge in kleinen 200-300 kcal-Schritten erhöhen.


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Quellen/Literaturnachweise

[1] Leistungernährung für Kraftsportler – Dr. Christian von Löffelholz; Novagenics, 1.Aufl.2002[2] Leistungsphysiologie – Tomasits Haber – Springer Verlag 3. Auflage[3] Sportbiologie – J. Weineck – 9. Auflage Spitta-Verlag