Jeder von uns hat diesen einen männlichen Onkel oder Freund, der gerne kalt duscht, dabei ziemlich laut atmet und sich hinterher „so erfrischt und männlich fühlt“.
Doch wusstest du, dass kalt duschen generell sehr gesund ist und dich auch bei deinen sportlichen Zielen unterstützt? Erhalte heute die Vorteile einer kalten Dusche für deine Gesundheit.
Der heutige Beitrag ist von Martin Auerswald. Martin ist studierter Biochemiker und schreibt auf Primal State und SchnellEinfachGesund über Biohacking und gesunde Lebensführung. Dabei legt er Wert auf gesunde Gewohnheiten, die sich schnell umsetzen lassen und wenig Aufwand bedeuten.
Kalt duschen – Ein Grundbedürfnis für den Menschen?
Was uns nicht umbringt, macht uns stärker. So kann man das Prinzip der Hormesis am besten beschreiben. Ein kurzer Reiz, der dich aus dem Gleichgewicht bringt, aber längerfristig zu Anpassungen führt, die stärker machen.
Kälte war schon immer ein wichtiger Reiz für den menschlichen Körper und bewirkt eine ganze Menge, wie du gleich sehen wirst. Doch die meisten Menschen sind heute nicht mehr viel mit Kälte in Kontakt und meiden sie wie der Teufel das Weihwasser.
Heute haben wir warme Kleidung, warme Betten, klimatisierte Räume, klimatisierte Autos und denken, dass wir sofort krank werden, wenn wir mal frieren.
Das Gegenteil ist der Fall: Hin und wieder mal zu frieren (am besten nur kurz und knackig) stärkt das Immunsystem und schützt vor diversen Erkrankungen [4].
Warum denken wir, dass uns Kälte krank macht? Einen ohnehin geschwächten Körper kann Kälte noch mehr schwächen, wenn sie nicht kurz ist, sondern länger andauert. Einen bereits starken Körper kann Kälte noch mehr stärken. So könnte man es zusammenfassen.
Wichtige Grundlage für regelmäßiges Kältetraining oder kalte Duschen ist es, halbwegs gesund zu leben: Also halbwegs gesund zu essen, gut und ausreichend zu schlafen und regelmäßig Sport zu treiben. Eine wichtige Grundlage, auf die wir aufbauen können.
- Carney, Scott (Autor)
Warum sind kalte Duschen im Biohacking so wichtig?
Ziel des Biohacking ist es, die natürlichen Bedürfnisse des menschlichen Körpers in unsere moderne, technisierte Welt zu übertragen und dabei wissenschaftliche Erkenntnisse mit einfließen zu lassen.
Kälte war schon immer wichtiger Reiz für den Menschen und ist es auch heute noch; wir müssen nur an einem Hahn drehen und schon kommt kaltes Wasser aus der Leitung. Das können wir nutzen.
9 Vorteile von kalten Duschen für deine Gesundheit
Im Anschluss erhältst du eine Auflistung vieler gesunder Wirkungen von Kälte auf deinen Körper. Wichtige Grundlage ist eine halbwegs gesunde Lebensführung und regelmäßige Erholung. Eine kalte Dusche ist die einfachste Methode, um von den Vorteilen der Kälte zu profitieren und den Reiz „kurz und knackig“ zu halten.
Die ersten kalten Duschen sind für die meisten Menschen furchtbar, weil es ungewohnt ist, weil es kalt ist, weil sich der Körpers erst daran gewöhnen muss. Die meisten schreiben uns dann nach ein bis zwei Wochen, wie toll das doch ist und wie schwer es am Anfang war. Also halte durch!
#1 Durchblutung
Durch das kalte Wasser werden deine oberen Haut-, Fett- und Muskelschichten abgekühlt und der Körper muss die Durchblutung steigern, um dem entgegenzuwirken. Insgesamt ein sehr guter Effekt, besonders am Morgen, wenn die Durchblutung angeregt wird.
#2 Immunsystem
Der Kältereiz ist ein wichtiger Stimulus für das Immunsystem. Besonders das angeborene Immunsystem rund um die zytotoxischen T-Zellen, neutrophile Granulozyten und die Makrophagen wird durch die Kälte aktiviert und kann Krankheitserregern schneller und besser entgegenwirken. Wer öfters kalt duscht, ist deutlich weniger krank.
#3 Fettverbrennung
Die Kälte stimuliert vorübergehend die Fettverbrennung, weil in erster Linie Fett verwendet wird, um die nötige Wärme zu produzieren (Stichwort: UCP) [5]. Mehr dazu gleich. Wer das öfters macht und gerne abnehmen möchte, für den ist die kalte Dusche ein sehr wichtiges Werkzeug.
#4 Braunes Fettgewebe
Wenn Babys auf die Welt kommen, haben sie kaum Muskeln. Wie schützen Sie sich vor Unterkühlung und produzieren Wärme, wenn sie nicht zittern können?
Sie haben ein braunes Fettgewebe. Das ist ein Fettgewebe, das nicht dazu da ist, um Energie zu speichern, sondern um Energie zu verbrennen und Wärme zu produzieren (zitterfreie Thermogenese).
Es ist braun, weil die Zellen randvoll sind mit Mitochondrien.
Auch im Erwachsenenalter kannst du dieses braune Fettgewebe wieder „heranzüchten“ [6] und somit nicht nur deinen Grundumsatz steigern, sondern du frierst generell weniger. Ein netter Effekt im Alltag, besonders im Winter.
#5 Hormonelle Anpassungen
Das braune Fettgewebe und die Muskeln reagieren auf den Kältereiz mit Stoffwechselhormonen, die auf anderem Wege nur schwer gebildet werden: Irisin und Adiponektin sind die zwei wichtigsten davon [1].
Sie haben viele tolle Wirkungen im Körper, steigern den Grundumsatz, verbessern das Muskelwachstum, und mehr.
Außerdem wird die Schilddrüse stimuliert, die Umwandlung von fT4 in fT3 läuft besser, dadurch steigt auch der Testosteronspiegel [7].
Schätzungen zufolge kann der Grundumsatz um bis zu 300 kcal täglich gesteigert werden, wenn dein Körper kälteangepasst ist und mehr Thermogenese betreibt [2-3].
#6 Wachstumsreiz
Man nimmt heute an, dass die Kälte einen Wachstumsreiz für die langsam zuckenden Muskelfasern bedeutet.
Das kannst du auch nutzen: Wenn du eine Ausdauereinheit hinter dir hast, mit der du die langsam zuckenden Muskelfasern trainiert hast, dann hänge an das Training eine kalte Dusche an, um die Muskeln zusätzlich zu stimulieren.
Das bedeutet auch, dass du direkt nach einem Krafttraining, bei denen du die schnellzuckenden Muskelfasern trainiert hast, nicht kalt duschen solltest. Eher nach einer Ausdauereinheit, oder direkt morgens.
Das hat auch den tollen Nebeneffekt, dass du wach wirst:
#7 Konzentration
Versuche mal für einen Monat, früh nach dem Aufstehen etwa 3 Minuten eiskalt zu duschen. Das macht unglaublich wach, erfrischt und steigert die Konzentrationsfähigkeit. Verantwortlich dafür ist die Produktion des Neurotransmitters Noradrenalin, der für wachen Fokus wichtig ist.
Du könntest die kalte Dusche mit einer Tasse Kaffee danach kombinieren, um noch mehr Noradrenalin zu produzieren und mit viel Flow in den Tag zu starten.
#8 Schmerzreduktion
Durch den Kältereiz werden Synapsen im Zentralnervensystem kurz voneinander entkoppelt und durchlaufen eine Art Reset. Nervenfasern, die entzündet sind oder anderweitig einen chronischen Schmerzreiz aussenden, werden dadurch beruhigt und senden viel weniger Schmerzsignal aus.
Das ist der Grund, warum die Kältetherapie, das Wechselduschen oder das Kneippen in der Schmerztherapie so wirkungsvoll sind.
#9 Disziplin
Du möchtest disziplinierter sein, im Alltag und beim Sport? Wenn du dir angewöhnt hast, täglich mit einer kalten Dusche in den Tag zu starten, gibt das einen ordentlichen Schub für deine Disziplin.
Nicht nur startest du den Tag deutlich disziplinierter – das weitet sich auch auf andere Bereiche deines Lebens aus.
Wie fange ich am besten an?
Bist du an dieser Stelle von den Vorteilen von Kälte oder kalten Duschen überzeugt und fragt dich, wie du starten kannst? Wir empfehlen, öfters kalt zu duschen. Mache daraus eine Routine, eine Gewohnheit. Starte jeden Tag mit einer kalten Dusche:
Direkt nach dem Aufstehen gehe in die Küchen trinke ein bis zwei Gläser Wasser. Schalte die Kaffeemaschine an. Gehe dann direkt in das Bad und springe unter die kalte Dusche, bevor du die Zähne putzt.
Mache die kalte Dusche zum Teil deiner täglichen Morgenroutine. Mache es nicht zu einer Option, sondern zu einer Pflicht – zu einer Gewohnheit.
Die ersten paar Male können sehr hart sein, dein Körper muss sich erst daran gewöhnen. Nach etwa einer Woche hat sich dein Körper in der Regel daran gewöhnt, und es kommt zu einer positiven Rückkopplung:
Du merkst, wie gut das tut, wie wach und aktiv du wirst, wie du im Alltag weniger frierst und die Fettverbrennung gesteigert wird. Das motiviert, weiterzumachen und am Ende freust du dich sogar jeden Morgen auf die kalte Dusche.
Vorgehensweise:
- Beginne die kalte Dusche ganz normal mit lauwarmem oder heißem Wasser, was wichtig ist, um das Nervensystem zu wecken.
- Nach etwa ein bis 2 Minuten drehst du dann den Wasserregler nach ganz rechts auf maximal kalt.
- Beginne mit den Beinen, bewege den Duschkopf von außen nach innen.
- Dann den unteren Bauch, danach arbeitest du dich hoch bis zu den Schultern.
- Von da aus Dusche 3 Minuten eiskalt und bewege den Duschkopf immer von vorne nach hinten, von links nach rechts, bleib in Bewegung.
- Atmen nicht vergessen.
Fazit – Ungewohnte Fortschritte durch eine kalte Dusche
Eine kalte Dusche härtet nicht nur ab, sondern hält viele Wirkungen für die Gesundheit bereit. Heute hast du eine kleine Auflistung mit den Vorteilen einer kalten Dusche erhalten. Probiere es aus, mache eine 14-Tage-Challenge daraus und ziehe nach 14 Tagen ein Fazit.
Ich kann dir eines sagen: Noch niemand hat mir nach vierzehn Tagen gesagt, dass es sich nicht gut anfühlt und sich nicht positiv auf verschiedene Bereiche ausgewirkt hat!
Quellenverzeichnis
- Bostrom, Pontus; Wu, Jun; Jedrychowski, Mark P.; Korde, Anisha; Ye, Li; Lo, James C. et al. (2012): A PGC1-alpha-dependent myokine that drives brown-fat-like development of white fat and thermogenesis. In: Nature 481 (7382), S. 463–468. DOI: 10.1038/nature10777.
- Yoneshiro, Takeshi; Aita, Sayuri; Matsushita, Mami; Kayahara, Takashi; Kameya, Toshimitsu; Kawai, Yuko et al.: Recruited brown adipose tissue as an antiobesity agent in humans. In: J Clin Invest 123 (8), S. 3404–3408. DOI: 10.1172/JCI67803.
- Yoneshiro, Takeshi; Aita, Sayuri; Matsushita, Mami; Kameya, Toshimitsu; Nakada, Kunihiro; Kawai, Yuko; Saito, Masayuki (2011): Brown adipose tissue, whole-body energy expenditure, and thermogenesis in healthy adult men. In: Obesity (Silver Spring, Md.) 19 (1), S. 13–16. DOI: 10.1038/oby.2010.105.
- Castellani, John W.; M Brenner, Ingrid K.; Rhind, Shawn G. (2002): Cold exposure: human immune responses and intracellular cytokine expression. In: Medicine and science in sports and exercise 34 (12), S. 2013-2020. DOI: 10.1249/01.MSS.0000041400.21166.79.
- Nam M, Cooper MP. Role of Energy Metabolism in the Brown Fat Gene Program. Frontiers in Endocrinology. 2015;6:104. doi:10.3389/fendo.2015.00104.
- van der Lans, Anouk A.J.J.; Hoeks, Joris; Brans, Boudewijn; Vijgen, Guy H.E.J.; Visser, Mariëlle G.W.; Vosselman, Maarten J. et al.: Cold acclimation recruits human brown fat and increases nonshivering thermogenesis. In: J Clin Invest 123 (8), S. 3395–3403. DOI: 10.1172/JCI68993.
- Leppaluoto, J.; Korhonen, I.; Huttunen, P.; Hassi, J. (1988): Serum levels of thyroid and adrenal hormones, testosterone, TSH, LH, GH and prolactin in men after a 2-h stay in a cold room. In: Acta physiologica Scandinavica 132 (4), S. 543–548. DOI: 10.1111/j.1748-1716.1988.tb08363.x.
zuletzt aktualisiert am 13.07.2021
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