Das wichtigste Bein an einem 3-beinigen Stuhl ist das vierte, das fehlende. Überträgt man diesen Spruch auf das Beinbeuger Training bzw. den menschlichen Körper, kann man sagen, der Beinbeuger, oftmals bekannt als Hamstring oder ischiocrurale Muskulatur, ist dieses vierte, fehlende Standbein. Aber warum ist das so? Warum vernachlässigen viele ambitionierte Sportler und teilweise auch Profis diesen doch wichtigen Teil der Beinmuskulatur? Darauf möchte ich in diesen Artikel eingehen und liefere euch am Ende auch noch einen kleinen Trainingsplan als Beispiel.

Bevor es jedoch losgeht, tauchen wir erst einmal kurz ab in die unendlichen Weiten der Anatomie.

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Anatomie der Beinbeuger

Die ischiocrurale, oder im englischsprachigen Raum auch als „Hamstrings“ genannten Muskeln des menschlichen Körpers verlaufen auf der Rückseite der Oberschenkel und setzten sich aus 3 Muskeln zusammen.

Diese Muskeln sind:

· m. biceps femoris

· m. semitendinosus

· m. semimembranosus

Der Ursprung aller dieser Muskeln ist am Os ischii, also dem Sitzbein, woher auch der Name ischiocrurale Muskulatur herrührt. Im weiteren Verlauf setzen diese mittig bzw. seitlich am Unterschenkel an und stellen somit die körpernahe Begrenzung der Kniekehle (Fossa polpitea) dar. Die Innervation, sprich die nervliche Versorgung, findet über den Nervus tibialis (Schienbeinnerv) statt, welcher im Bereich der Wirbelsäule zwischen der Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein aus dem Plexus sacralis entspringt.

Funktion und Anwenung im Trainingsalltag

Und was genau macht diese ischocrurale Muskulatur? Im Prinzip sind die ischiocruralen Muskeln für 2 große Bewegungsabläufe verantwortlich. Zum einen bewirken sie eine Hüftextension und eine Knieflexion. Hieraus ergeben sich auch die zu beachtetenden Trainingsschwerpunkte, aber dazu später mehr. Weiterhin können die Beinbeuger bei der Anspannung des hinteren Kreuzbandes (Ligamentum cruciatum postrius) und zur Entlastung des vorderen Kreuzbandes (Ligamentum cruciatum antrius) beitragen.

Viele Athleten, egal ob ambitionierte Hobbysportler, Kraftsportler oder aus dem Bodybuilding haben zum Teil schrecklich entwickelte Beinbeuger. Damit haben diese nicht nur ein höheres Risio für Verletzungen im Bereich der Beine und der Hüfte sondern auch noch eine deutliche Bewegungseinschränkung in diesen Bereichen.

Es herrscht weit verbreitet das Denken in vielen Köpfen, dass die Quadtrizepse die wichtigsten „speed-Muskeln“ sind, also die Muskeln die involviert sind, wenn es um Schnelligkeit geht, etwa beim Sprinten. Dies ist aber falsch, denn die Hamstrings und der Gesäßmuskel sind die wichtigsten Muskeln, wenn es um Schnelligkeit geht. Der Grund hierfür ist die oben schon erwähnte Funktion der ischiocruralen Muskulatur, nämlich die der Hüftextension und der Knieflexion. Beide sind sehr wichtige Aktionen beim Laufen. Die ischiocruralen Muskeln spielen außerdem Schlüsselfiguren beim Abbremsen und schnellen Richtungswechseln. Bessere Hamstrings sorgen demzufolge für ein schnelleres Abstoppen und Richtungswecheln und erhöhen somit die Beweglichkeit und Schnelligkeit. Schnelligkeit ist auch das Stichwort, wenn man sich die muskuläre Zusammensetzung ansieht. Da die ischiocrurale Muskulatur auf Schnelligkeit ausgelegt ist, tendiert sie auch dazu mehr FT-Fasern (also fast-twitch-Fasern) zu besitzen als andere Muskelgruppen.

Kommen wir nun von der faden Theorie in die Praxis.

Beinbeuger Training und Beispielpläne

Auf Grund der oben erwähnten vorherrschenden falschen Meinung, im Bezug auf die wichtigsten „speed-muscles“, legen viele beim Beintraining den Fokus eher auf die Quads und vernachlässigen die Hamstrings.

Für den besten Fortschritt empfiehlt es sich, beide Funktionen getrennt zu trainieren. Außerdem sollte man die Trainingsintensität auf die FT-Fasern ausrichten, da die ischiocrurale zum größten Teil daraus besteht. Das Training sollte drei Elemente enthalten. Diese wären betont exzentrisch trainieren, schwer trainieren und ein explosives Krafttraining sowie zum Teil auch isometrische Übungen einbauen (z.B. am Ende eines jeden Satzes). Nachfolgend ein Beispiel Workout für die Hamstrings:

TE 1

· 4-6 Sätze Rumänisches Kreuzheben oder alternativ Good Mornings 8-12 Wdh

· 4-6 Sätze Power Cleans oder Power Snachtes 8-12 Wdh

· 4-6 Sätze erhöhte Hip Thrusts / Beckenheben in Brückenlage 8-12 Wdh

TE 2

· 4-6 Sätze Legcurl / Beinbeuger 8-12 Wdh

· 4-6 Sätze Glute-ham raise 8-12 Wdh (optional mit Gewicht vor dem Oberkörper gehalten, wenn die Übung zu einfach wird)

· 4-6 Sätze Step-ups /Treppensteigübung mit Langhantel im Nacken oder Ausfallschritte 8-12 Wdh

· 4-6 Sätze Kettlebell-swings 8-12 Wdh

Die Pausenintervalle sollten i.d.R. 90-120 Sekunden andauern.

Das Training für die Knieflexion sollte man am besten immer mit Leg Curls beginnen, da diese die ischiocrurale Muskulatur in den Fokus nehmen, was für einen ordentlichen Pump in den entsprechenden Muskelarealen führt. Dies hat zur Folge, dass man ein stabileres Gefühl, z.B. in der unteren Position der Kniebeuge hat, und die Hüften fühlen sich geschmeidiger an. Ein weiterer netter Nebeneffekt ist, dass man die Knie separat weniger aufwärmen muss.

Wie man erkennen kann, sollte man, wenn man den Fokus auf die ischiocrurale Muskulatur legen will, das Beintraining splitten auf eine TE mit Übungen für die Hüftextension und eine TE mit Fokus auf Knieflexion.

Ein Mikrozyklus könnte dann wie folgt aussehen:

Montag: Hamstrings TE 1
Dienstag: Oberkörper Push
Mittwoch: Pause
Donnerstag: Hamstrings TE 2
Freitag: Oberkörper Pull
Samstag: Quadrizeps dominantes workout
Sonntag: Pause

Fazit zu Beinbeuger Übungen

Zusammenfassend kann man sagen, dass die ischiocrurale Muskulatur wohl mit eine derjenigen ist, die oftmals in Vergessenheit gerät, sei es durch falsches Denken oder der Tatsache geschuldet, dass sie einem selber nicht so ins Blickfeld fällt. Der springende Punkt ist jedoch, dass die ischiocrurale Muskulatur eine durchaus wichtige Bedeutung in unserem komplexen muskulären System hat und das Rundumbild des Bodybuilders/Fitnesssportlers komplett macht und neben einer Zunahme der Agilität auch eine geringere Anfälligkeit für Verletzungen im Bereich Hüfte und Beine mit sich bringt.

Quellen

Flexikon Ischiocrurale Muskeln

Hamstring Muscles

The Relationship Between Anterior Pelvic Tilt, Hamstring Extensibility and …

http://www.bodybuilding.com/exercises/finder/lookup/filter/muscle/id/8/muscle/hamstrings